Brief vom 14. September 1838

Von: Carolath-Beuthen, Adelheid von (1797–1849)
An: Pückler-Muskau, Lucie von (1776–1854)
Ort: Carolath
Datum: 14. September 1838
Umfang: 1 Br. 2 Bl.
Standort: Pückler-Archiv Branitz, Kasten 2, Mappe 25
Signatur: NPCH.LPAC38.026

Beschreibung

Adelheid war krank in den letzten Tagen, Der Doctor hat mich zur Ader gelassen und durch Krampf und Nervenberuhigende Mittel, mir wohl gethan; obschon meine Herzschmerzen etwas leichter, aber nicht ganz besser sind, Ich wäre gern so recht ruhig ungestört, die wenigen sonnenhellen Herbsttage hier genießend, wo es reitzend ist, und ich meine Bequemlichkeit habe, in hohen behaglichen Zimmern, während da draußen im Walde es mir schon jetzt wenn ich daran denke, in den windigen dunklen Stübchen und der mir wenig zusagenden Gesellschaft wo ich Beängstigungen bekommen würde, wenn ich sie nicht schon hätte!, Angst ist ein böses Ding, ein nagender Wurm, u du mein armes Mutterle, wie bedaure ich dich doch so aufrichtig, so innig, jahrelang in Sorgen um den fernen besten Freund zu sein, so selten Nachrichten von ihm zu haben, und wenn endlich die längst schmerzlich ersehnten, eintreffen, auf Beruhigung schon wieder neue Berge von Sorgen sich wälzen zu sehen! - Beschreiben lassen sich solche Empfindungen nie! Keine Sprache vermag sie genügend zu bezeichnen. Männer verstehen, ahnden sie kaum - nur arme gleich fühlende Frauenherzen begreifen, würdigen und - bemitleiden solche Qualen - und man wagt es noch unser Geschlecht das Schwächere zu nennen? O wohl hat er wahr gesprochen der große Menschenkenner Göthe, wenn er sagt: viele Männer verbunden ertrügen es nicht, was der zarte oft kränkelnde Körper einer Frau , und mehr noch ihre tiefempfindende Seele erträgt - auch sollen die Männer es nicht - aber anerkennen sollten sie es - doch auch dies geschieht nur ausnahmsweise - du arme liebe Gute, was hast du schon in der Art alles erduldet! Und meistens schweigend, und sehr oft noch beschwert mit anderen Lasten von Geschäften und Bemühungen - auch ich habe in meiner inneren Welt schon Kämpfe bestanden, denen Worte zu leihen ich selbst nicht für möglich erachte, und ... zu was führt es auch, als höchstens ein unvollständiges Bild seiner geheimsten Regungen zu geben, mit einer für andere vielleicht nicht zu begreifenden Stufenleiter von Innensequenzen deren man sich schämt, und die einzugestehen eben so unnütz erscheinen, als leider oft unmöglich die Veranlassungen derselben so zu werden - in was für eine Galimatias habe ich mich da verwickelt, mein Mutterle, du die sonst deine Mische so gut verstehst wirst vielleicht selbst Mühe haben, dich hierin zurecht zufinden, mit kurzen Worten hätte ich es vielleicht besser ausgedrückt: wie mein liebend Herz auch versteht, was Angst Sorge zärtlicher Kummer bedeutet.