Brief vom 3. Mai 1836

Von: Carolath-Beuthen, Adelheid von (1797–1849)
An: Pückler-Muskau, Lucie von (1776–1854)
Ort: Carolath
Datum: 3. Mai 1836
Umfang: 1 Br. 2 Bl.
Standort: Pückler-Archiv Branitz, Kasten 2, Mappe 23
Signatur: NPCH.LPAC36.009

Beschreibung

Depression dieses Frühjahr war sie wieder mit Beängstigungen und schwerer Melancholie gequält, die große Angst, die mich Tag und Nacht marterte Treppe auf und Treppe ab führte, das Traurigsein, ohne allen Grund, das Herzklopfen und in tiefem Hinbrüten verloren sein ohne eigentlich eine Rechenschaft von dem Gedachten geben zu können dies war während einiger Wochen meine Stimmung oder vielmehr Verstimmung, sie fühlte sich wie ein parforce gejagtes Stück Wild, Heinrich ist in Drachenberg beym Grafen Hatzfeld, Sie haben uns während seiner Abwesenheit das Vorwerk Bilawa angezündet und abgebrannt, die hässlichen Menschen! Einen so guten Herrn wie der Fürst es ist der seit zwanzig Jahren der Wohlthäter von so vielen ward, es ist außer dem Schaden den es verursacht, auch so niederschlagend! Freilich sind mit so großen Besitzungen wie Carolath und Muskau es sind, große u schwere Sorgen verbunden, besonders bei dem waltenden Geist der Regierung, die nun einmal blind, den sie selbst untergrabenden Weg fortgeht, diese größeren Besitzer ihre eigentliche Stützen, zu Grunde gehen zu lassen - ich machte einst den Vergleich, auf den ich wieder zurückkommen muß, es käme mir vor: wie Simson der all seine Kraft anwendete um die Säulen des Tempels einzureißen, der ihn dann selbst bei seinem Einsturz erschlug! - Auch bei uns fehlt es nicht an Sorgen und Qualen, und bei den großartigen Unternehmungen wie dem Mühlenbau die Anlage der großem Zukkerfabriken, giebt es nicht nur ein Übermaaß von Geschäften, die alle gleich wichtig sind, und nicht nur die größte Umsicht, Vorsicht, gewissenhafte Beobachtung der Ausführung, aber auch große Betriebscapitalien und folglich bei der püncktlichen Erfüllung aller übrigen Verpflichtungen manche schwere Stunden verursachen - Gott gebe nur seinen Seegen dazu! - So kann ja auch Lohn für die große Mühe blühen - wie würde ich dies meinem guten Heinrich gönnen, Ich nehme an allem so viel Theil, das dies zugleich das Interesse und die Sorge meines Daseins ausmacht, Allaungeschäft in Muskau, Auch ist in der That Carolath gegenwärtig so reitzend, daß es schade ist, um jeden Moment der entflieht, ohne daß man es genießen kann. Obwohl dein Gärtchen in Berlin eine große Annehmlichkeit in der Stadt ist, und du es so lieblich schufst, wie es in solch geschlossenem Raum nur irgend möglich ist, so bleibt es doch wahr: daß die weit hin sich ausbreitenden neu ergrünten Fluren, der mit Blumen aller Art bunt prangende Wiesenteppich, die uralten Eichen, die mit Blüthenschnee überzogenen Hecken u Bäume, der sich durch diese reiche Landschaft majestätisch hinschlängelnde Strom, der viele Schiffe mit weißen Segeln, die im Morgen oder Abendsonnenschein erglänzen, hinauf und hinabführt, die wechselnden Melodien der frohen Zweigebewohner, das schmachtende Liebeslied welches eine Menge von Nachtigallen dem Nachthauch anvertrauen, daß dieses Alles, mehr Reitz hat, und dazu liebende Seelen die dich so gern besitzen - als der Berliner Frühling, und wiederwärtige, sich in die Länge ziehende Geschäftsangelegenheiten, das ist wohl gar keine Frage - es sind nun bald zwanzig Jahre, mein Mutterle, daß du in meiner Correspondenz diese Schilderungen meines lieben in dieser Jahreszeit gar so schönen Carolaths, wiederholt findest, in der Gegend hat sich wenig geändert, in der Art es anzusehen aber freilich Manches durch die Zeit und so manche liebe Erinnerung froh verlebter Stunden, Tage, Jahre, sind diese Umgebungen mir so theuer geworden, meine zweite Heimath!, Äußerungen über die Töchter.