Brief vom 4. Januar 1834

Von: Carolath-Beuthen, Adelheid von (1797–1849)
An: Pückler-Muskau, Lucie von (1776–1854)
Ort: Carolath
Datum: 4. Januar 1834
Umfang: 1 Br. 2 Bl.
Standort: Pückler-Archiv Branitz, Kasten 2, Mappe 21
Signatur: NPCH.LPAC34.001

Beschreibung

Reise Pücklers nach Carolath, Buschmanns Perpetuum, Heilquellen: Es wundert mich wirklich daß Pückler der so vielen Sinn für die Schönheiten der Natur hat, die im Auslande aufsuchen will ehe er noch die heimathlichen deutschen kennenlernte, die wahrlich schwer übertroffen werden können wie selbst von Menschen behauptet wird die in Italien waren, unter anderem der sonst nicht angenehme König von Bayern, dem man aber doch Kunstsinn und Schönheitssinn überhaupt nicht streitig macht - er liebt jene Salzburger und Berchtesgardener Gegenden so sehr daß er schon mehrere Male Italien verließ um sie wiederzusehen., Lektüren: die Memoiren der Comtesse Dubarry, die so künstlich als interessant die Zeit darstellen in welcher sie lebte, mit all ihrer Verderbtheit, habe ich nun ausgelesen und am Schluß besonders noch recht ernste Betrachtungen über die Vergänglichkeit aller irdischen Güter angestellt. Was half ihr ihre so unwiederstehliche Schönheit, der vorübergehende Triumph über alle ihre Feinde ihre Schmeichler und die Willkür unendliche Summen Geldes zu vergeuden, was half ihr die Liebe dieses schwachen Königs der sie noch vor seinem Ende verwies ohne an ihre Zukunft zu denken - sie war doch bey ihrem grenzenlosen Leichtsinn und tausend Fehler die in ihrem Naturell wie in ihrer Erziehung Verhältnissen und Zeitalter zum Theil begründet waren, doch keine böse Frau - und doch welche Folgen zogen ihre Handlungen nach sich! - ich danke dir sehr mein Mutterle daß du mir dies interessante Buch geliehen hast, Tutti Frutti: Ich las neulich einen recht albernen Aufsatz in der Hamburger Zeitung über die bald zu erwartenden Tutti Frutti - es war darin allerhand dummes Gewäsche daß es von einem Deutschen Fürsten sein soll und mit anderen Worten ohngefähr so viel gesagt als daß die höheren Stände besser thun würden auf einem Felde sich zu bewegen wo sie festeren Fuß als wie auf den der Wissenschaften gefaßt hätten - ich ärgerte mich und fand gestern einen Aufsatz von Göthe den ich hier abschriftlich beifüge, ich habe Lust dieses Urtheil von dem deutschen Dichter Herren als Antwort einzureichen: Wir Deutschen verdienten, daß unsere Musen in der Verachtung blieben, in der sie so lange geschmachtet haben da wir nicht Männer von Stande zu schätzen wissen, die sich mit unserer Literatur auf irgend eine Weise abgeben mögen. Geburt, Stand und Vermögen stehen in keinem Widerspruch mit Genie und Geschmack; das haben uns fremde Nationen gelehrt, welche unter ihren besten Köpfen eine große Anzahl Edelleute zählen. War es bisher in Deutschland ein Wunder, wenn ein Mann von Geburt sich den Wissenschaften widmete; wurden bisher nur wenige berühmte Nahmen durch ihre Neigung zu Kunst und Wissenschaft noch berühmter; stiegen dagegen manche aus der Dunkelheit hervor, und traten wie unbekannte Sterne an den Horizont; so wird das nicht immer so seyn, und wenn ich mich nicht so sehr irre, so ist die erste Klasse der Nation auf dem Wege, sich ihrer Vortheile auch zur Erringung des schönsten Kranzes der Musen in Zukunft zu bedienen. Es ist mir daher nicht unangenehmer, als wenn ich nicht nur den Bürger über den Edelmann, der die Menschen zu schätzen weiß, spotten, sondern auch vom Stande selbst mit unüberlegter Laune und niemals zu billigender Schadenfreude, Ihresgleichen, von einem Wege abschrecken sehe, auf dem einem Jeden Ehre u Zufriedenheit erwartet! - dies sagt Göthe im prophetischen Geiste scheint mir, als passendste, schlagendste Wiederlegung, jenes flachen Aufsatzes, und seiner Consorten geschrieben zu seyn! Und wenn der vielleicht wenig belesene Schreiber desselben, jenes Urtheil Göthes über die Briefe eines Verstorbenen nicht kennen sollte, das auf eine so glänzende Weise, Pücklers schriftstellerische Verdienst in das rechte Licht setzt, so mag er noch dieses mehr allgemeine gelten da, und hier so gut Anwendbare, hinter seine langen Ohren schreiben, Bitte um Tutti Frutti, Bücher von Balzac und Eugene Sue, schicke mir geistige Nahrung!

Kommentar

unvollständig