Brief vom 20. Mai 1826

Von: Carolath-Beuthen, Adelheid von (1797–1849)
An: Pückler-Muskau, Lucie von (1776–1854)
Ort: Carolath
Datum: 20. Mai 1826
Umfang: 1 Br. 3 Bl.
Standort: Pückler-Archiv Branitz, Kasten 1, Mappe 13
Signatur: NPCH.LPAC26.018

Beschreibung

Anstehende Reise ins Muskauer Hermannsbad, geplante Theateraufführung in Muskau: Nun zur Beantwortung deiner Bemerkungen wegen der Wahl unseres Stückes und dem sehr freundlichen Rath den dein liebendes Mutterherz mir giebt - zuerst muß ich dir zu deiner Beruhigung und meiner Rechtfertigung sagen, daß ich zuerst zwey andere Stücke vorgeschlagen hatte wovon das eine die Laune der Verliebten von Göthe ganz allerliebst ist und für Helmine u mich sehr hübsche Toiletten dargebothen hätten, die Herren wollten es nicht weil sie als Schäfer verkleidet erscheinen sollten - dann wurde ein Nachmittag dazu bestimmt ein Stück auszusuchen wobey freilich da wir nur 4 Personen sind manche Rücksichten und wenig Auswahl zu treffen - Helmine geriett anbey in ihr Lachen so daß zuletzt die albernsten Vorschläge in allem Ernst gemacht wurden unter anderem die Schuld von Müllner aufzuführen, das schwerste Stück, Blücher der nie gespielt hat und ein großes Trauerspiel - ich frage dich selbst ob es da du so ernstlich gebethen hattest die Sache uns angelegentlich seyn zu lassen dies passend war - ich erklärte zuletzt mit Bestimmtheit ich würde dir es lieber ganz abschreiben - mein Schwager der wirklich sehr gefällig und bereitwillig ist hierin suchte nun noch einmal und fand das Manuscribt des Obristen eines der beliebesten neueren Stücke! - da Eduard sonst sehr penibel ist wunderte ich mich erst selbst und sträubte mich gegen die Wahl bis ich durch Heinrich und seinen Bruder wie auch Blüchers mich überreden ließ besonders da der Charakter jenes vermeinthlichen Obersten so rein weiblich gehalten ist so ängstlich u dezent daß nur im Anzug noch ein Scrupel liegen konnte da übrigens die Zahl der Personen und alles passte die Noth auch wegen der Kürze der Zeit auf dem Nagel brannte - ich erkenne ganz deine liebevolle mütterliche Absicht die meine Angst nur vergrößerte denn bey Gott nur allein um die gefällig zu sein habe ich mich entschlossen zu spielen da ich noch sehr schwach bin - nicht in einem Anfall froher und toller Laune habe ich dies Stück gewählt, diese ist mir seit den so heftigen körperlichen Leiden die [...] auf den Geist wirken noch gar nicht wieder gekehrt mit dem Gegentheil habe ich mehr zu kämpfen besonders in diesen Tagen wo mich zuerst das wenige dahinsterben und doch nicht vollenden können der armen hausischen Tochter sehr betrübt [...]., schickt ihr den sehr leeren Brief der Fürstin L der ganz in dem Sinne des alten Fuchs geschrieben ist und doch beweist daß sie wenig Geist u eigentlich auch Gemüth besitzen muß denn über meine Krankheit nicht ein Wort der Theilnahme so wie ebenfalls keines der Erwiederung auf alles hübsche und herzliche was ich ihr sagte, diesen Nachmittag haben wir Probe und da werde ich mehr wie je auf die Weibliche Haltung Rücksicht nehmen - schriebst du mir nicht daß die Comedienzettel schon gedruckt werden würde ich lieber heute noch ein anderes Stück gewählt haben denn aufrichtig gesagt es ist allerliebst aber ich hatte einen großen Muth dazu und nun - nun will ich mich bemühen daß ich durch meine Verlegenheit nicht alles verderbe.